Russland: Westliche Sanktionen erzwingen Rezession

WIEN/MOSKAU (rus)–Harte westliche Sanktionen als Reaktion auf den russischen Einmarsch in der Ukraine werden die russische Wirtschaft in diesem und möglicherweise im nächsten Jahr in eine tiefe Rezession stürzen. Zu diesem Schluss kommt das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) in seiner Frühjahrsprognose. 

Das WIIW legt dabei zwei Szenarien zugrunde: Das eher optimistische Baseline-Szenario geht davon aus, dass der Krieg bald (wenige Monate) endet und die Sanktionen nicht weiter verschärft werden. Selbst dann stehen Russland mit BIP-Rückgängen von 9% im laufenden und 1,5% im kommenden Jahr sowie einer mageren Erholung von 1% für 2024 harte Zeiten bevor. 

Im negativen Fall werden ein sich hinziehender Krieg und weitere Verschärfungen der Sanktionen zugrunde gelegt, namentlich ein Öl- und Gas-Embargo. Dann sollen sich für Russland minus 15% im laufenden, eine Nullnummer im kommenden Jahr und 1,5% in 2024 ergeben. 

Dank umfassender Kapitalverkehrskontrollen und einer Straffung der Geldpolitik konnte die finanzielle Stabilität wiederhergestellt und der Rubel stabilisiert werden. Die volle Wirkung der Handelssanktionen muss sich jedoch erst noch entfalten, was zusammen mit dem Rückzug vieler ausländischer Unternehmen die langfristigen Wachstumsaussichten beeinträchtigen wird. 

Der Schlag durch den Krieg ist an den Einkaufsmanager-Indizes (PMI) ablesbar: Der Index für den Dienstleistungssektor stürzte  von 52,1 Punkten im Februar auf 38,1 im März tief in den Kontraktionsbereich (Grenze 50 Punkte), der PMI für das Verarbeitende Gewerbe bewegt sich moderater von 48,6 auf 44,1 Punkte zurück, deutet damit aber ebenfalls auf eine Rezession. Da sich die Handelssanktionen noch nicht in vollem Umfang ausgewirkt haben, werden sich Lieferengpässe und höhere Preise für eine zunehmende Zahl von Produkten bemerkbar machen. Über das gesamte Jahr gesehen könnten die Verbraucherpreise im Durchschnitt um etwa 20 % steigen, was die Realeinkommen stark beschneiden wird.

Damit ergibt sich eine auch politisch heikle Konstellation: Die von der Inflation dezimierten Einkommen der Masse russischer Bürger, die außerhalb der Blase der Oligarchen und ihrer Zuarbeiter leben, werden noch weiter hinter den Lebensstandard der einst im Ostblock beherrschten Polen, Tschechen oder Balten zurückfallen. Diese relative Verarmung ist politischer Sprengstoff und wohl auch einer der Auslöser des Krieges: Die innere Stabilität des Putinschen Russlands ist in Gefahr, wenn sich eine erfolgreichere, westlich orientierte Ukraine etablieren könnte.

Aber auch das langfristige Wachstumspotenzial Russlands ist untergraben worden, wie das WIIW heraus stellt. Russland verliert den Zugang zu Technologie und High-Tech-Gütern von Spitzenproduzenten. Verstärkte Kooperation mit China wird zwar eine gewisse Entlastung bringen, aber die Unterbrechung der wirtschaftlichen Beziehungen Russlands zum Westen kaum vollständig kompensieren. Daher wird die russische Wirtschaft weiterhin jene Züge zeigen, die schon in den letzten zehn Jahren gebremst haben: niedrige Investitionen und eine allgemein niedrige Produktivität. 

Zudem wird Russland aufgrund der Energiewende der EU einen bedeutenden Teil seiner Energieeinnahmen verlieren. Damit drohen außenwirtschaftliche und fiskalische Defizite, die den zukünftigen Spielraum für Investitionen zusätzlich verengen. Das Wachstumspotenzial wird begrenzt, während die russische Wirtschaft anfälliger wird für künftige externe Schocks.

rus/04.05.2022

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