Russland: Umrisse der Wirtschaftskrise werden klarer erkennbar 

MOSKAU (rus)–Der Ukraine-Krieg und die zweistellige Inflation haben das reale verfügbare Einkommen im Jahresvergleich 2021/20 um 4% weiter sinken lassen, wie aus dem neuen amtlichen „Bericht zur Sozioökonomischen Lage“ der Statistikbehörde Rosstat hervorgeht. Das reale verfügbare Einkommen misst den materiellen Lebensstandard, also den Betrag, der den Bürgern für die eignen Ausgaben und Ersparnisse zur Verfügung steht.

Der Abstieg ging im ersten Quartal offenbar weiter, denn den Rosstat-Angaben zufolge verbuchten die privaten Haushalte in diesem Zeitraum ein Defizit von 1,3 Bill Rubel (etwa 17,9 Mrd Euro) bei Ausgaben von 17,1 Bill Rubel und Einnahmen von 15,82 Bill Rubel. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass die privaten Haushalte begonnen haben, ihre Ersparnisse anzugreifen um ihren Lebensstandard zu halten.

Der Hauptfaktor, der auf den Ersparnissen der Russen lastet, ist die mittlerweile wieder zweistellige Inflation (zuletzt 16,7%). Die Veröffentlichung der Rosstat-Zahlen überschnitt sich mit der neuen Prognose des Leiters der russischen Rechnungskammer, Alexej Kudrin. Der rechnet für das laufende Jahr mit einer Inflation von 20% und einem BIP-Rückgang von bis zu 12%. Die aktuelle Krise sei größer als die Krise von 2008/9 und auch die Corona-Krise, erklärte Kudrin. Sie werde noch sechs bis acht Quartale anhalten.

Unterdessen sanken die US-Exporte nach Russland per März auf ein 20-Jahres-Tief aufgrund der Wirtschaftssanktionen, wie die “Moscow Times” auf Grundlage der jüngsten Daten des US-Bureau of Economic Analysis (BEA) berichtet. Demnach fielen die US-Exporte nach Russland von 497,5 Mio US-Dollar im Februar auf 101,1 Mio Dollar im März. In den beiden Vorjahresmonaten wurden 595 Mio Dollar beziehungsweise 476 Mio Dollar erzielt. Der Russland-Export per März war der niedrigste seit 2002 monatliche Daten verfügbar wurden. Von Februar auf März sanken die US-Autoexporte nach Russland von 83 Mio Dollar auf 20 Mio Dollar, pharmazeutischen Erzeugnisse von 60 Mio Dollar auf 14 Mio Dollar und die mit einem expliziten Embargo belegten Flugzeugtriebwerke und Luxusgüter auf nahezu Null. Offenbar wurden letzte vor der Verkündung der Sanktionen abgeschlossene Verträge noch abgewickelt.

Die US-Einfuhren aus Russland stiegen dagegen leicht von 2,5 Mrd Dollar im Februar auf 2,7 Mrd Dollar im März wobei sich die russischen Öllieferungen von von 63 Mio Dollar auf 362 Mio Dollar fast versechsfachten. Dieser sprunghafte Anstieg wurde auf die von US-Präsident Joe Biden zwischen dem 8. März und dem 22. April verhängte Übergangsfrist für das Verbot der Einfuhr russischer Rohstoffe in die USA zurückgeführt. Die russische Zollverwaltung veröffentlicht keine Handelsdaten mehr, sie wurden vor dem Hintergrund der westlichen Sanktionen zum Staatsgeheimnis erklärt. Allerdings lassen sich die Zahlen leicht aus den korrespondierenden Daten des Auslands herleiten.  

rus/12.05.2022

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