Der russische Konzern Gazprom war mit der Berufung gegen eine Geldbuße von über 6 Mrd Euro erfolgreich. Die Strafe wurde von der polnischen Kartellbehörde UOKiK verhängt, weil die Gas-Pipeline Nord Stream 2 ohne vorherige Genehmigung Polens gebaut wurde. UOKiK hat nun erklärt, dass es das Urteil des polnischen Gerichts für Wettbewerb und Verbraucherschutz anfechten will, berichten die „Notes from Poland“.
Im Oktober 2020 verhängte UOKiK Geldstrafen in Höhe von mehr als 29 Mrd Zloty (6,2 Mrd Euro) gegen Gazprom und mehr als 234 Mio Zloty gegen fünf weitere europäische Unternehmen, die am Nord-Stream 2-Projekt beteiligt waren. Berichten zufolge handelt es sich dabei um die weltweit größte jemals verhängte Wettbewerbsstrafe.
Die Nord-Stream 2-Pipeline – gegen die sich Polen vehement gewehrt hat – sollte russisches Gas nach Deutschland bringen, wurde jedoch aufgrund der russischen Aggression gegen die Ukraine in diesem Jahr nie in Betrieb genommen. Sie wurde, wie auch die Nord-Stream 1-Pipeline, kürzlich durch Explosionen in der Ostsee beschädigt.
Unverhältnismäßiges Bußgeld
Laut UOKiK schloss Gazprom 2018 ohne vorherige Zustimmung der polnischen Regulierungsbehörde eine Vereinbarung mit den fünf anderen Unternehmen (Wintershall und Uniper aus Deutschland, Engie aus Frankreich, OMV aus Österreich und Shell aus dem Vereinigten Königreich), was zu einer Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt geführt haben könnte. UOKiK zufolge haben die Partner das Projekt auch ohne die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens und über Kredite finanziert, was einen Verstoß gegen das Kartellrecht darstellt. Sie verhängte eine Strafe in Höhe von etwa 70% der Projektkosten und in Höhe der von Gazprom und den fünf anderen Unternehmen in das Projekt eingebrachten Mittel.
Gazprom hat die Entscheidung von UOKiK jedoch angefochten und im November 2020 Berufung beim polnischen Gericht für Wettbewerb und Verbraucherschutz eingelegt. Die Entscheidung des UOKiK verstößt gegen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Verhältnismäßigkeit und des fairen Verfahrens, und die beispiellose Höhe der Geldbuße zeugt von dem Wunsch, die Umsetzung des Nord-Stream-2-Projekts mit allen Mitteln zu verhindern“, erklärte das russische Unternehmen damals gegenüber Politico Europe. Gestern entschied das polnische Gericht zu Gunsten von Gazprom, teilte UOKiK in einer Erklärung mit.
Überschreitung der Kompetenzen
Das Gericht stellte fest, dass „die am Bau von Nord Stream 2 beteiligten Akteure kein neues Gemeinschaftsunternehmen gegründet haben. Es liege außerhalb der Zuständigkeit von UOKiK, die Auswirkungen auf die Wirtschaft zu bewerten und zu beurteilen, ob sie versucht haben, das Gesetz zu umgehen“, so Tomasz Chrostny, Leiter von UOKiK.
„Wir sind von dem Urteil überrascht“, fügte er hinzu. „Wir werden um eine schriftliche Begründung des Urteils bitten und dann in diesem Fall Berufung einlegen.“
„Heute sind die Gefahren, von denen wir bei der Vorlage der Entscheidung sprachen, nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa mit bloßem Auge sichtbar. Wir haben diese Gefahren damals erkannt und im Rahmen unserer Zuständigkeiten Maßnahmen ergriffen, um dieses Projekt zu stoppen“, so Chrostny. Das könnte allerdings auch als Drohung verstanden werden, dass Warschau einmal mehr bereit ist, die Rechtsprechung aus politischen Gründen zu beugen, gestützt auf die „Reform“ der Justiz.