Aserbaidschan hat damit begonnen, Gas aus Russland zu importieren, was Baku in die Lage versetzen dürfte, seinen eigenen Bedarf zu decken, berichtet „Eurasianet“. Gazprom liefert seit dem 15. November Gas an die staatliche aserbaidschanische Gasgesellschaft SOCAR, bis März 2023 sollen es bis zu einer Milliarde cbm werden. In einer Erklärung an die aserbaidschanische Agentur „APA“ sagte SOCAR, dass das Unternehmen seit langem mit Gazprom zusammenarbeite und dass die beiden Unternehmen „versuchen, ihre Infrastruktur zu optimieren, indem sie den gegenseitigen Austausch von Gasströmen organisieren“.
Die Vereinbarung wurde kurz vor der winterlichen Nachfragespitze unterzeichnet, da Aserbaidschan bestrebt sein wird, die Versorgung seiner inländischen Gaskunden aufrechtzuerhalten und gleichzeitig seinen Exportverpflichtungen gegenüber Georgien und der Türkei sowie seinem kürzlich erweiterten Handel mit Europa nachzukommen. Die Exporte nach Europa über den südlichen Gaskorridor sollen der jüngsten Vereinbarung mit der EU zufolge12 Mrd cbm erreichen. Diese Erhöhung sollte Brüssel dabei helfen, den Verlust russischer Gaslieferungen auszugleichen. Dabei blieb unklar, woher genau das zusätzliche Gas kommen würde. Probleme mit der Zusage traten bereits im September auf, als der aserbaidschanische Energieminister Parviz Shahbazov ankündigte, dass Aserbaidschan in diesem Jahr nur 11,5 Mrd cbm nach Europa exportieren werde, ohne einen Hinweis darauf zu geben, warum das Exportziel gesunken ist. Eine Quelle, die dem Konsortium nahesteht, dem das riesige aserbaidschanische Gasfeld Shah Deniz gehört, dass derzeit die gesamten aserbaidschanischen Gasexporte liefert, bestätigte „Eurasianet“, dass keine neuen Exportverträge abgeschlossen wurden und das Feld derzeit nur die zuvor vereinbarten 10 Mrd cbm liefern soll.
Die Nachricht, dass Aserbaidschan in diesem Winter Gas aus Russland importieren wird, deutet darauf hin, dass Baku das russische Gas zur Versorgung des heimischen Marktes nutzen will, um Gas freizusetzen und seine Verpflichtungen gegenüber Brüssel erfüllen zu können. Die von der EU verhängten Sanktionen gelten nicht für Aserbaidschan, dem es weiterhin freisteht, so viel russisches Gas zu importieren, wie es will. Das neue Abkommen widerspricht jedoch der politischen Absicht des Abkommens vom Juli, das speziell darauf abzielte, die nach Europa fließenden aserbaidschanischen Gasmengen zu erhöhen, um der EU zu helfen, ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Die Tatsache, dass ein Teil dieser Importe aus Aserbaidschan mit Hilfe Moskaus ermöglicht wird, deutet darauf hin, dass die Diversifizierungsbemühungen Brüssels möglicherweise vergeblich sind, und das nicht nur kurzfristig.
Im Rahmen der im Juli unterzeichneten Vereinbarung erklärte sich Baku auch bereit, die Exporte über den südlichen Gaskorridor bis 2027 auf 20 Mrd cbm pro Jahr zu verdoppeln – das ist das Maximum, das das bestehende Pipelinenetz transportieren kann. Diese Steigerung wird teuer sein und einige Zeit in Anspruch nehmen, da sowohl neue Kompressoren an die bestehenden Pipelines angeschlossen werden müssen als auch umfangreiche Investitionen in die aserbaidschanischen Gasfelder getätigt werden müssen, um das erforderliche Gas zu fördern. Bisher wurde noch keine Investitionsentscheidung für den Ausbau der drei Pipelines getroffen, die den südlichen Gaskorridor bilden, über den aserbaidschanisches Gas nach Europa transportiert wird, und es bleibt die Frage offen, woher die zusätzlichen 10 Mrd cbm Gas pro Jahr kommen sollen.
BP bestätigte Anfang des Jahres, dass das riesige Gasfeld Shah Deniz, das es betreibt, nicht in der Lage ist, die gesamten zusätzlich benötigten 10 Mrd cbm zu liefern. Aserbaidschan verfügt zwar über einige andere kleine Gasfelder, aber auch deren Produktion dürfte nicht ausreichen, um Bakus Verpflichtung gegenüber Brüssel zu erfüllen, so dass die Aussicht besteht, dass Gas aus anderen Ländern der Region bezogen werden muss.