Baku und Brüssel vereinbaren strategische Energiepartnerschaft

BAKU (gus)–Die EU schloss ein neues Energieabkommen mit Aserbaidschan, durch das das gasreiche Land am Kaspischen Meer seine Gaslieferungen nach Europa innerhalb von fünf Jahren verdoppeln könnte. Dies ist Teil der Bemühungen Brüssels, die Abhängigkeit von Russland zu verringern. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew und die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonten ihre Entschlossenheit, die Zusammenarbeit im Energiebereich und in anderen Bereichen zu verstärken und auszuweiten, berichtet “Eurasianet”.

EU-Energiekommissar Kadri Simson bestätigte, dass Aserbaidschan im Rahmen der Vereinbarung “voraussichtlich” in diesem Jahr weitere 4 Mrd cbm Gas in die EU liefern wird (womit sich die Gesamtmenge auf 12 Mrd cbm erhöht) und die Transfers bis 2027 auf “mindestens” 20 Mrd cbm ansteigen sollen. Trotz der optimistischen Äußerungen sind die sechs Abschnitte des fünfseitigen MoU kaum mehr als eine Wunschliste dessen, was beide Seiten unter den richtigen Umständen gerne tun würden.

Der größte Teil des Dokuments enthält kaum Details, sondern wiederholt die Verpflichtungen und Hoffnungen der EU in Bezug auf den Klimawandel und die Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Es enthält weit gefasste Vorschläge für die Zusammenarbeit mit Baku in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und -erzeugung sowie für den Transit von “grünem Wasserstoff”. Der einzige nennenswerte konkrete Vorschlag war die Anregung, dass Aserbaidschan seine Gasexporte in die EU bis 2027 verdoppeln könnte.

Aserbaidschans Gasfelder und die Kette von Pipelines, die das Gas durch Georgien und die Türkei nach Griechenland transportieren – von wo aus ein Teil nach Bulgarien und der Großteil nach Albanien und über die Adria nach Italien geht – werden von internationalen Konsortien mit mehreren Parteien kontrolliert, die über den Ausbau der Produktions- und Pipelinekapazitäten entscheiden. Es wird angenommen, dass die Gespräche zwischen den verschiedenen Partnern über die Realisierung dieser Investitionen im Gange sind.

Kein Gas mehr

Energieexperten hegen indes Zweifel an der Lieferfähigkeit Aserbaidschans. Die Reserven sind überschaubar und die Inlandsnachfrage wächst steil an. Baku schloss Ende letzten Jahres ein Swap-Abkommen über Gasimporte aus dem Iran, der im Gegenzug die gleiche Menge aus Turkmenistan erhält. BP, der Betreiber von Aserbaidschans größtem Gasfeld, Shah Deniz, hat gewarnt, dass das Feld nicht das gesamte Gas liefern kann, das zur Verdoppelung der Exporte nach Europa benötigt wird, während andere kleinere Felder, die derzeit erschlossen werden, voraussichtlich keine ausreichenden Mengen produzieren werden. 

Bislang sperrte sich Aserbaidschan gegen eine Zusammenarbeit mit Turkmenistan, das über die viertgrößten Reserven der Welt verfügt. Baku spielte dabei den Standortvorteil auf dem Westufer des Kaspischen Meeres mit der kürzeren Verbindung in die Türkei gegenüber dem turkmenischen Ostufer aus. Indes ist die Verbindung durch das Kaspische Meer durch die lokalen Pipelines bis auf wenige, schnell zu schließende  Lücken vorhanden so dass Turkmenistan die schmerzhafte Abhängigkeit vom einzigen Kunden China lockern und Aserbaidschan als Transit- und Verarbeitungsland für die turkmenische Förderung im Öl- und Gasgeschäft weiterhin verdienen könnte.

Baku zögert dennoch. Präsident Alijews Erklärungen deuten darauf hin, dass Baku eher an der EU-Hilfe für sein Programm erneuerbare Energien interessiert ist um mehr eigenes Gas für den Export freizusetzen. Auch die Absichten der Türkei sindnoch unklar. Vizepräsident Oktay bestätigte lediglich die Pläne, das Gas über den südlichen Gaskorridor in die Türkei zu leiten; er erwähnte nicht, ob und zu welchen Bedingungen das Gas anschließend nach Europa weitergeleitet werden soll.

gus/25.07.2022 – Baku und Brüssel vereinbaren strategische Energiepartnerschaft

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