Gazproms arktisches Großprojekt in einer Sackgasse

KIRKENES (rus)–An der Küste der Karasee sind die Bauarbeiten für das Kharasavey-Erdgasfeld in vollem Gange. Es wird eines der größten Projekte dieser Art im Land sein. Doch das Gas kann bislang nirgendwo hinfließen, wie der “Barents Observer” berichtet. 

Seit dem offiziellen Start der Bauarbeiten im März 2019 herrscht in der abgelegenen Yamal-Tundra große Aufregung. Präsident Wladimir Putin war per Fernsehübertragung direkt aus dem Kreml zugeschaltet, als Gazprom-Mitarbeiter große Maschinen und Geräte über die schnee- und eisbedeckten Weiten der arktischen Gebiete brachten. “Das Kharasaveyskoye-Feld wird neue Horizonte für die Entwicklung der Industrie, für die Stärkung unseres Exportpotenzials und die weitere Gasifizierung Russlands eröffnen”, sagte Putin in seiner Begrüßung. Das Feld an der Westküste der Jamal-Halbinsel verfügt über Reserven von rund 2 Bill cbm Gas und ist der nächste Schritt im großen Entwicklungsplan von Gazprom für die rohstoffreiche Region.

Kharasavey wird durch eine 108 km lange Pipeline mit dem nahe gelegenen Bovanenkovo verbunden, dem riesigen Feld, das 2012 in Betrieb genommen wurde.

Während des gesamten Sommers 2022 fuhren Schiffe zum örtlichen Seeterminal in Charasawjskoje, viele von ihnen mit Baumaterial und Versorgungsgütern für die mehreren hundert Arbeiter vor Ort. Die Produktion soll im Jahr 2023 aufgenommen werden. Man geht davon aus, dass die Erdgasreserven von Charasawey und Bowanenkowo zusammen 7 Bill cbm betragen. Weitere Billionen sollen noch hinzukommen, wenn Gazprom sein großes Erschließungsprogramm für die Region fortsetzt.

Doch Russlands Krieg mit der Ukraine und der anschließende Konflikt mit der EU erschweren die Pläne. Europa ergreift extreme Maßnahmen, um die Abhängigkeit von russischen Kohlenwasserstoffen zu verringern, und Moskau hat diesen Prozess diese Woche noch beschleunigt, als es angeblich aus “technischen Gründen” die Nord-Stream-Pipeline geschlossen hat.

Das Erdgas aus Kharasavey, Bovanenkovo und anderen Feldern in der Region läuft nun Gefahr, in der Arktis “festzusitzen”, da praktisch die gesamte regionale Infrastruktur auf den EU-Markt ausgerichtet ist.

Die in Jamal beginnende Bovanenkovo-Ukhta-Pipeline, ein nördlicher Abschnitt der mehr als 4.000 km langen Jamal-Europa-Pipeline führt eben nur nach Europa. Riesige Erdgasmengen werden sich nun einfach im heimischen Russland ansammeln. Und es gibt kaum eine schnelle Lösung für dieses Problem. Gazprom plant eine Pipeline von der Jamal-Halbinsel nach China zu verbinden und weitere Pipeline soll Bovanenkovo mit der bestehenden Infrastruktur auf der Ostseite der Ob-Bucht verbinden. Im Jahr 2021 will Gazprom sogar eine Unterwasserpipeline durch die große Bucht in Betrieb nehmen. Der Bau einer Verbindung bis nach China wird jedoch Jahre in Anspruch nehmen. Derzeit verfügt Russland nur über die Power of Siberia-Pipeline, die im Jahr 2020 weniger als 5 Mrd cbm auf den chinesischen Markt bringen wird. Die Kapazität wird in den nächsten Jahren erheblich steigen, und Russland hat auch Pläne für eine Power of Siberia 2 und 3. Aber nichts davon wird in der Lage sein, die EU-Mengen zu ersetzen, die 2018 über 200 Mrd cbm betrugen.

Bei seinem Besuch des Östlichen Wirtschaftsforums in Wladiwostok in dieser Woche hob Putin die Beziehungen zu China hervor und betonte, dass neue Pipeline-Infrastrukturprojekte die beiden Länder miteinander verbinden werden. Auf der gleichen Konferenz nahm Gazprom-Chef Aleksei Miller an einer Videokonferenz mit Spitzenvertretern der China National Petroleum Corporation teil. Die Kapazität der Power of Siberia kann auf 48 Mrd cbm pro Jahr erhöht werden, und die Power of Siberia 2 kann letztendlich bis zu 50 Mrd cbm liefern, erklärte er.

Allerdings liegen die Felder Kharasavey und Bovanenkovo mehrere tausend Kilometer nördlich des Polarkreises.

rus/12.09.2022 – Gazproms arktisches Großprojekt in einer Sackgasse

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